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Ewigkeitskosten Ruhrgebiet

Die Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlenbergbaus


Industriekultur Bergbau

Die Stilllegung einer Zeche bedeutet nicht das Ende der Arbeiten. Das Bergwerk wird ausgeraubt, die Schächte verwahrt und verfüllt, Tagesanlagen abgerissen und zurückgebaut. Selbst dann ist noch nicht endgültig „Schicht im Schacht“. Übertage müssen die Industrieflächen saniert werden, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu vermeiden. Das Grubenwasser muss abgepumpt werden, um ein unkontrolliertes Volllaufen des Bergwerks und eine Verunreinigung des Grundwassers mit belastetem Grubenwasser zu vermeiden. Die bis zu 25 m abgesenkte Oberfläche muss auf ewig ausgepumpt werden, um zu verhindern, dass weite Teile des Ruhrgebiets mit seinen 5 Mio. Einwohnern überflutet werden.

 

Diese Ewigkeitsaufgaben in den ehemaligen Steinkohlenrevieren Ruhrgebiet, Saarland und in Ibbenbüren kosten jährlich etwa 265 Mio. Euro. Um die Kosten nicht dem Steuerzahler aufzubürden, wurde die RAG-Stiftung ins Leben gerufen. Sie besitzt ein Vermögen von aktuell 21 Mrd. Euro (Stand 2021). Die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus werden aus den Kapitalerträgen der Stiftung finanziert. Ein kleiner Teil des Überschusses, den die Stiftung jedes Jahr erwirtschaftet, fließt in die Förderung von Bildung und Kultur (27 Mio.), der größere Teil zurück ins Stiftungskapital. So stieg das Vermögen der Stiftung von 5 Mrd. Euro in 2007 auf 21 Mrd. Euro in 2021.

 

Die Stiftung finanziert drei Ewigkeitsaufgaben:

  • Grundwasserreinigung
  • Poldermaßnahmen
  • Grubenwasserhaltung

Bergschäden durch den Steinkohlenbergbau an Gebäuden und Grundstücken sind ausdrücklich von den Ewigkeitsaufgaben ausgeschlossen. Diese Kosten trägt die RAG AG selbst.

Grundwasserreinigung

Im Laufe der Jahrhunderte haben die Zechen und vor allem die Kokereien Rückstände in den Industrieflächen hinterlassen, darunter Schadstoffe, die das Grundwasser bedrohen, wie z. B. Teer, PAK, Benzol, Toluol, Xylol oder Phenol. Nach der Stilllegung werden die Industrieflächen saniert. Kontaminierter Boden wird gesammelt und abgedeckt. Das Regenwasser, das durch die kontaminierten Flächen sickert, wird durch hydraulische Barrieren auf dem Gelände gehalten, hochgepumpt und in Aufbereitungsanlagen von den Schadstoffen gesäubert, bevor es in das Grundwasser eingeleitet wird. Die Aufgaben müssen auf ewig durchgeführt werden.

 

Dieser Teil der Ewigkeitsaufgaben kostet jährlich ca. 10 Mio. Euro (Stand 2021).

Poldermaßnahmen

Im Ruhrgebiet wurden seit dem Mittelalter ca. 10 Mrd. Tonnen Steinkohle aus Tiefen bis zu 1.635 m gefördert. Dadurch sind beträchtliche Hohlräume entstanden, die nach und nach einstürzen und zu einer Senkung des darüber liegenden Berges führen. Man geht davon aus, dass sich das gesamte Ruhrgebiet seit dem Mittelalter im Durchschnitt um 10 m gesenkt hat. Essen liegt z. B. 16 m tiefer als vor dem Steinkohlenbergbau. An einigen Stellen hat sich die Oberfläche um bis zu 25 m abgesenkt. Das Wasser aus den Flüssen würde sich in den entstandenen Senken sammeln und sie bald in Seen verwandeln.

 

Um den Abfluss des Wassers aus dem Ruhrgebiet zu gewährleisten, mussten Deiche errichtet, Flussbetten angehoben und etwa 400 Pumpstationen gebaut werden, die das Wasser aus den Senken in die Flüsse hochpumpen. Die höchsten Deiche Deutschlands stehen nicht an der Küste, sie befinden sich im Ruhrgebiet und sind ca. doppelt so hoch. Der Lippedeich in Herringen ist mit einer Höhe von 17 m der höchste Flussdeich Europas. Zum Vergleich: Der höchste Küstendeich Schleswig-Holsteins vor Nordstrand hat eine Höhe von 8,70 m.

 

Simulationen haben nachgewiesen, dass 40% des Ruhrgebiets überflutet würden, sollten die Poldermaßnahmen eines Tages eingestellt werden. Das Ruhrgebiet würde in wenigen Wochen zu einer großen Seenplatte.

 

Die Poldermaßnahmen machen mit 82 Mio. Euro jährlich (Stand 2021) den zweithöchsten Teil der Ewigkeitskosten aus.

Grubenwasserhaltung

Zeche Robert Müser Schacht Arnold in Bochum, eine der Pumpstationen im Ruhrgebiet

Ohne Wasserhaltung würde das Grubenwasser bis zum Grundwasserspiegel ansteigen. Es wird befürchtet, dass dadurch das Grundwasser mit Schadstoffen belastet würde.

 

Die Bergwerke haben durch umfassende Wasserhaltung den Berg bis in Tiefen von weit über 1.000 m trocken gelegt. Das Regenwasser, das in den Boden einsickert, löst auf dem langen Weg bis zum Grubenwasserspiegel Mineralien, vor allem Salze, aus dem Gestein. Das führt dazu, dass der Salzgehalt des Grubenwassers teilweise über dem der Weltmeere liegt.

 

Die kilometerlangen Stollen, Strecken und Strebe des Bergbaus führen Sauerstoff in tiefe Schichten des Bergs und dort durch Oxidation zu einem niedrigeren PH Wert des Wassers. Das Grubenwasser ist oft sauer.

 

Ab den 1960er Jahren wurden die Hydraulikflüssigkeiten der Maschinen untertage mit einem Zusatz versehen, der sie schwer entflammbar macht: PCB (Polychlorierte Biphenyle). Was zum Schutz der Kumpel vor Grubenbrand gedacht war, stellte sich später als ein Gesundheitsrisiko heraus. Wegen seiner krebserregenden Eigenschaft kam PCB ab Mitte der 1980er Jahre im deutschen Bergbau nicht mehr zum Einsatz. PCB Rückstände werden durch den Kohlenstaub untertage gebunden. Das Grubenwasser schwemmt allerdings den Kohlenstaub mit sich fort.

 

Das Abpumpen des Grubenwassers aus den Bergwerken bildet mit 173 Mio. Euro jährlich (Stand 2021) den größten Anteil an den Ewigkeitskosten. Die ökologischen Folgen sind nicht unerheblich. Jedes Jahr werden 70 Mio. Kubikmeter Grubenwasser aus den Bergwerken des Ruhrgebiets abgepumpt und in die Lippe, Emscher, Ruhr und den Rhein geleitet. Mit dem sauren Grubenwasser gelangen 56 Mio. t Salz und etwa 120 g PCB jährlich in die Flüsse.

 

In der Vergangenheit wurde das Grubenwasser komplett abgepumpt, um ein Ansteigen zu vermeiden und damit das Grundwasser zu schützen, das eine zentrale Quelle für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung im Ruhrgebiet ist. Aktuell lässt man das Grubenwasser ansteigen bis zu einem Sicherheitsabstand von ca. 150 m unterhalb des Grundwassers. Das führt dazu, dass das Regenwasser beim Sickern durch den Berg einen kürzeren Weg zurücklegt und dadurch weniger Salze löst. Auch wird der PH Wert nicht so stark abgesenkt, da weite Teile der Hohlräume geflutet werden und damit weniger Sauerstoff zur Verfügung steht. Schließlich muss deutlich weniger Grubenwasser abgepumpt werden. Aktuell wird geplant, die 13 Pumpstationen im Ruhrgebiet auf 6 zu reduzieren.

 

In Kamp-Lintfort geht man noch einen Schritt weiter. Das Abpumpen des Grubenwassers wurde vollständig eingestellt. Experten hoffen, dass das schwere salzhaltige und PCB belastete Grubenwasser unten verbleibt und sich nicht mit dem leichteren unbelasteten Grundwasser weiter oben mischt. Ob diese Annahmen zutreffen, muss die Zeit beweisen. 

 

Das Grubenwasser hat aber auch einen Nutzen. Es ist warm. Erste vielversprechende Versuche laufen, über Wärmetauscher die umliegenden Gebäude zu beheizen. Bei steigenden Energiepreisen wird diese Energiequelle in der Zukunft sicher umfassender genutzt werden.

 


Quellenverzeichnis